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Jer Betrug mit den nkassoBriefen Verbraucherschützer schlagen Alarm: Immer häufiger versuchen dubiose Geldeintreiber, sich bei Verbrauchern mit frei erfundenen Forderungen zu bereichern
Z
unächst denkt sich Ingrid Mertens nichts Böses: Sie bekommt eine Rechnung von einem Unternehmen, das ihr nichts sagt. Wahrscheinlich
nichts
als ein harmloser
Irrtum
-
die
Rechnung wandert in den Müll. Wochen später jedoch flattert eine harsche Mahnung ins Haus: Aus der Rechnung über ursprünglich 96 Euro sind jetzt 140 Euro geworden. KurzeZeit später stehen zwei bedrohlich wirkende Geldeintreiber eines Inkasso-Unternehmens vor der Tür. Aus purer Angst zahlt die Frau. Das Unglaubliche an diesem Fall: Die Forderung wurde für ein Online-Sex-Portal erhoben. Dabei ist Ingrid Mertens bereits 76 Jahre alt, zweifache Großmutter und hat gar keinen Internet-Anschluss.
. Nur ein Prozent
aller Forderungen ist berechtigt
Laut einer Untersuchung der Verbraucherzentralen ist nur ein Prozent der angemahnten Forderungen berechtigt. Der Rest ist entweder nicht geklärt (15 Prozent) oder sogar frei erfunden (84 Prozent). Hintergrund: die zunehmende Zahl der Internet-Abzocker, Glückspielbetreiber - beides ist meist Betrug
18 I 2/12 tv hören
und sehen
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und Na-
mens- oder Adress-Verwechslungen des angeblichen Schuldners. Und weil Inkasso-Büros nur dann Geld verdienen, wenn sie Forderungen auch durchsetzen, verfolgen sie angemahnte Beträge mit äußerster Hartnä,ckigkeit.
. Wie Sie sich Rechtssicherheit verschaffen
Dabei schießen sie regelmäßig über die Grenzendes rechtlich Zulässigen hinaus. Schon die Drohung mit einer Eintragung bei der Schufa zum Beispiel ist verboten (AG Halle: 105 C 4636/09). . Was tun, wenn ich eine unberechtigte Mahnung erhalte? Prüfen Sie genau, ob die Forderungwirklich zu Unrecht besteht. Fallsdas zutrifft, widersprechen Sie dem Mahnschreiben schriftlich. Setzen Sie dem Inkasso-Unternehmen eine Frist von drei Wochen (mit konkretem Ablaufdatum), in der Sie eine Bestätigung erwarten, und drohen Sie, nach Ablauf der Frist einen Anwalt hinzuzuziehen. Einen neuen Musterbrief dafür finden Sie unter www.tvhus.de. den Sie grundsätzlich als Einschreiben mit Rückschein versenden sollten, um seine Zustellung beweisen zu können.
. Muss ich Inkasso- oder Verzugskosten zahlen? Das müssen Sie nicht. Denn wenn die Forderung schon unberechtigt ist, geraten Sie natürlich auch gar nicht in Zahlungsverzug. . Besteht die Gefahr eines gerichtlichen Mahnbescheids? Kaum. Die meisten Inkassofirmendrohen zwar damit, aber scheuen den gerichtlichen Weg. Das hat zwei Gründe: Erstens wird eine unberechtigte Forderung nicht zu beweisen sein, und zweitens dürfen diese Firmen im Rahmen eines gerichtlichen Mahnverfahrens ihre eigenen Gebühren nicht einfordern. Dazu sind nur Rechtsanwälte berechtigt. . Was muss ich tun, wenn doch ein Mahnbescheid kommt? In Einzelfällen geben Inkassofirmen ein gerichtliches Mahnverfahren in Auftrag. Am Mahnbescheid hängt ein Widerspruchsformular, auf dem Sie nur ein Kreuz an der Stelle "Ich widerspreche dem Anspruch insgesamt" machen. Eine Begründung ist nicht erforderlich, aber halten Sie unbedingt die 14-Tages-Frist ein. Übrigens haben Sie drei Möglichkeiten, damit Ihr Widerspruch sicher an-
;.
kommt: Einschreiben/Rückschein, Fax oder persönlich beim Gericht abgeben. . Was geschieht nach meinem Widerspruch? MitIhremWiderspruch wird das gerichtliche Mahnverfahrenbeendet. Das Inkasso-Unternehmen hat dann nur noch die Möglichkeit, Klage zu erheben. Aber nach der Erfahrungder Verbraucherzentralen geben die unseriösen Firmenspätestens jetzt auf.
. Was iert, wenn ich nicht widerspreche? Sollten Sie die Widerspruchsfrist von 14 Tagen veren, folgt ein Vollstreckungsbescheid des Gerichts. Auch diesem können Sie innerhalb von zwei Wochen widersprechen. . Überprüft das Gericht, ob die
Forderung korrekt ist? Nein. Denn beim gerichtlichen Mahnverfahren guckt kein einziger Richter in die Akte. Der gesamte Vorgang läuft vollautomatisch und wird juristiSCh überhaupt nicht bewertet.
. Mir wurde mit dem Gerichtsvollzieher gedroht. Was jetzt? Das ist ein reiner Bluff, um Sie einzuschüchtern und gefügig zu machen. Keine Angst, ein Gerichtsvollzieherkann nur beauftragt werden, wenn ein gerichtlicher Titelgegen den Schuldner existiert. Das ist eine vollstreckbare Urkunde, die entweder durch ein Urteil zustande kommt, oder wenn Sie gegen einen VolIstreckungsbescheid keinen Widerspruch einlegen.
. Muss ich eine Lohn- oder Kontopfändung fürchten?
Nein. Denn auch eine Pfändung des Einkommens (beim Arbeitgeber) oder des Kontos ist zur möglich, wenn ein Gerichtsurteil oder ein rechtsgültiger VolIstreckungsbescheid vorliegen.
. Kann das Inkassobüro mir einen Schufa-Eintrag veren?
Damit wird verbotenerweise immer gedroht, aber das Risikoist äußerst gering. Denn um Schufa-Einträge zu veranlassen, müssen Firmen Mitglied in der
Schufa sein. Und das kostet Geld. Unseriöse Inkassofirmen dürften daher kaum Interesse an einer Kooperation mit der Schufa haben.
. Verjähren Forderungen nicht auch ganz von selbst? Sie ve~ähren zwar nach drei Jahren, aber nicht von selbst. Sie müssen eine sogenannte "Einrede der Ve~ährung" abgeben (Musterbrief unter www.tvhus.de). damit die Verjährung Wirkung zeigt. Weil viele Verbraucher das nicht wissen, versuchen immer mehr Inkassofirnen, bereits ve~ährte Kleinstbeträge einzutreiben - natürlich mit einem saftigen Aufschlag der eigenen Gebühren. Aus den 49 Cent eines Telefondienstes werden dann schnell 49 Euro. Übrigens: Seit 31.12.2011 sind Forderungen aus dem Jahr 2008 verjährt. PETER
KRÖGER
TV-TIPP
SA 17.03
ARD
ARD-Ratgeber: Recht Themau. a.: "Wenn sich die Abzockerverzocken" 300.005.917